Wohnungseigentumsrecht: Keine Verpflichtung eines Sondereigentümers zur Durchführung von Brandschutzmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum – Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 31.05.2021 zum Az.: 11 C 467/20

Der Fall:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt einen Teileigentümer (zur Begriffs-bestimmung vgl. § 1 Abs. 3 WEG) aus dieser Gemeinschaft auf Durchführung von Brand- schutzmaßnahmen und dessen Kosten in Anspruch. Dem beklagten Teileigentümer gehören zwei Teileigentumseinheiten, die nach der Teilungserklärung als „Gaststätte“ und „Laden“ genutzt werden dürfen. Mit Bescheiden des Bauamtes wurde, jeweils auf Antrag des beklagten Teileigentümers, die Nutzungsänderung zu Kindertagespflegeräumen und zu einem Beherbungsbetrieb genehmigt. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Auffassung, dass aufgrund der baurechtlichen Nutzungsänderungsbescheide ein Bestands- schutz zum Brandschutz entfallen sei mit der Folge, dass Anforderungen an den Brandschutz nach aktuellem Recht gestellt werden könnten. Außerdem habe der beklagte Teileigentümer zahlreiche bauliche Veränderungen vorgenommen, die allerdings von der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft nicht näher bezeichnet werden.

Die Entscheidung:

Das Amtsgericht Hamburg hat die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Ausführung von Brandschutzmaßnahmen durch den Beklagten abgewiesen. Für einen direkten Vornahmeanspruch gegen den Beklagten müsse dieser entweder Handlungs- bzw. zumindest Veranlassungsstörer oder Zustandsstörer sein. In Bezug auf die Handlungsstörereigenschaft trage die Klägerin keine konkrete Verantwortlichkeit des Beklagten vor. Von der Klägerin vorgelegte brandschutztechnische, gutachterliche Stellungnahmen mögen brandschutz-technische Instandsetzungsnotwendigkeiten aufweisen, solche wären aber in erster Linie Sache der Gemeinschaft, da Brandschutzvorsorge Gemeinschaftsangelegenheit im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG sei. Soweit die Klägerin auf vorgenommene Nutzungsänderungen hinweist, ist aus den baurechtlichen Genehmigungen nicht ersichtlich, dass diese zu baulichen Veränderungen führen (müssen) und brandschutztechnisch relevante Änderungen erfordern. „Selbst wenn dies so wäre, hätte die Klägerin diese auf Gemeinschaftskosten herbeizuführen, sofern die Nutzungsänderung (en) sich im Rahmen der Zweckbestimmung nach der Teilungserklärung halten würden, da der Beklagte dann einen Instandsetzungsaufrüstungs- anspruch hätte. Denn die Gemeinschaft hat ihm die Nutzung seines Sondereigentums im Rahmen der Zweckbestimmung zu ermöglichen. Es obliegt der Klägerin, wohnungseigen- tumsrechtlich nicht zulässige – der Zweckbestimmung widersprechende – Nutzungs-änderungen im Wege des Untersagungsbeschlusses mit anschließender Unterlassungsklage abzuwehren und solche Ansprüche damit zu klären (§ 9a Abs. 2 WEG). Das vorliegende Verfahren hat aber nicht die Klärung der Berechtigung etwaiger Nutzungsänderungen zum Gegenstand.“

Soweit der Beklagte nur Zustandstörer sein soll, würde er nicht für brandschutztechnische Aufrüstungsnotwendigkeiten haften, er wäre nur zur Duldung entsprechender Baumaßnahmen verpflichtet.

Ergänzende Hinweise zu dieser Entscheidung:

Das Gericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Gemeinschaft dem beklagten Teileigentümer die Nutzung seines Sondereigentums im Rahmen der Zweckbestimmung zu ermöglichen habe. Die Zweckbestimmungen ergeben sich zunächst aus der Teilungserklärung, nämlich im konkreten Fall der Befugnis, ein Teileigentum als „Gaststätte“ und ein anderes Teileigentum als „Laden“ nutzen zu dürfen. Eine anderweitige Nutzung ist nicht automatisch unzulässig. Hier gilt der allgemeine Grundsatz, dass – ab-weichend von den Zweckbestimmungen in der Teilungserklärung – auch andere Nutzungs- arten zulässig sind, die typischerweise nicht mehr stören als die zugelassenen.

Nach dem am 01.12.2020 in Kraft getretenen, reformierten Wohnungseigentumsgesetz ist die Wohnungseigentümergemeinschaft hier prozessführungsbefugt (§ 9a Abs. 2 WEG). Allerdings wird bei jedenfalls größeren Streitigkeiten zusätzlich ein Umsetzungsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gefordert, der im hier besprochenen Fall allerdings vorlag.

Hamburg, den 17. Juni 2021

RA Junker
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Hamburg

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