Mietrecht: Nicht immer ist der „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum“ ein Wohnraummietvertrag, Urteil des Landgerichtes Hamburg vom 18.02.2022 zum Aktenzeichen: 334 O 120/21 (noch nicht rechtskräftig)
Der Fall:
Auf der Grundlage des vom Grundeigentümerverband Hamburg herausgegebenen Formularvertrages „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum“ vermieteten die Kläger am 27.02.2009 an eine gemeinnützig tätige GmbH in Hamburg belegene Räume. In einer Zusatzvereinbarung wurde der Mieterin erlaubt, die Wohnung an von ihr betreute Personen zu vermieten bzw. zum Gebrauch zu überlassen. Hiervon machte die Mieterin auch Gebrauch. Mit Schreiben vom 15.10.2020 kündigten die Kläger (Vermieter) das bestehende Mietverhältnis fristgemäß zum 31.07.2021, die beklagte gemeinnützige GmbH verweigerte die Herausgabe und wurde deshalb vermieterseits vor dem Landgericht Hamburg auf Räumung in Anspruch genommen.
Die Entscheidung:
Der Räumungsklage der Kläger wurde stattgegeben.
Für die Wirksamkeit der Kündigung bedurfte es keines berechtigten Interesses auf Seiten der Kläger gem. § 573 BGB, da trotz der Überschrift „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum“ es sich vorliegend nicht um ein Wohnraummietverhältnis handelte. Hierzu führte das Landgericht aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (BGH, Urteil vom 13.1.2021, VIII ZR 66/19, juris, Rn. 23). Sofern der vertragliche Zweck dahin geht, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-) Mietverhältnis nicht anwendbar (BGH aaO; BGH, Urteil vom 16. Juli 2008, VIII ZR 282/07, Rn. 25). Maßgeblich ist, ob der Mieter die Räume zu eigenen Wohnzwecken anmietet. Allgemeines Mietrecht ist maßgebend, wenn die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund steht, die keinen Wohnraumcharakter haben.
Im Wege der Vertragsauslegung kam das Landgericht Hamburg zu dem Ergebnis, dass die beklagte GmbH das streitgegenständliche Mietobjekt nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet hat. Der Zweck der Anmietung durch die Beklagte war darauf gerichtet, die angemieteten Räume Dritten zu Wohnzwecken weiterzuvermieten. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (BGH, Urteil vom 23.10.2019, XII ZR 125/18, juris, Rn. 21). Das ist bei einer juristischen Person zwingend die Überlassung oder Weitervermietung der angemieteten Räume an Dritte. Nicht maßgeblich ist, ob die Überlassung zu Wohnzwecken zu gewerblichen Zwecken mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt oder zu gemeinnützigen Zwecken. Somit konnte die Vermieterseite das Mietverhältnis hier ohne Darlegung eines berechtigten Interesses „frei“ zum nächstzulässigen Zeitpunkt kündigen.
Ergänzende Hinweise zu dieser Entscheidung
Die besprochene Entscheidung betrifft einen älteren Mietvertrag. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg wurde kommuniziert, dass das Gericht gerade mit einer Vielzahl derartiger Fälle befasst ist. Zwischenzeitlich hat aber der Gesetzgeber erkannt, dass hier zum Schutze eines Wohnraummietvertrages eine Gesetzeslücke besteht und nach heutiger Rechtslage ist gem. § 578 Abs. 3 BGB auch in Fällen der vorliegenden Art in weiten Bereichen Wohnraummietrecht anwendbar, insbesondere die Bestimmungen darüber, dass ein Mietverhältnis nicht frei kündbar, sondern von dem Vermieter immer ein berechtigtes Interesse (z.B. Eigenbedarf) darzulegen ist. Allerdings findet die neue gesetzliche Regelung gem. § 578 Abs. 3 BGB nach einer Übergangsvorschrift keine Anwendung auf Mietverhältnisse, die bis einschließlich 31.12.2018 entstanden sind.
Hamburg, den 15. März 2022
RA Junker
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Hamburg