Wohnungseigentumsrecht: Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Wohnungs-eigentümer, Versäumung der Anfechtungsfrist durch Inanspruchnahme aller anderer Wohnungseigentümer als Beklagte – Hinweisbeschluss des Amtsgerichtes Hamburg-Barmbek vom 06.09.2021 zum Aktenzeichen 883 C 5/21

Der Fall:

Mit einer Anfechtungsklage vom 30.06.2021 beantragte ein Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft, bestimmte Beschlüsse auf einer Eigentümerversammlung vom 01.06.2021 für ungültig zu erklären. In der Anfechtungsklage wurden als Beklagte aufgeführt alle übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemein- schaft.

Das Wohnungseigentumsgesetz wurde mit Wirkung ab 01.12.2020 grundlegend reformiert. Beschlussklagen (dazu zählt auch die Anfechtungsklage von Beschlüssen) sind danach gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG). Verklagt werden muss also die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Nach der Rechtslage vor dem 01.12.2020 musste sich die Anfechtungsklage richten gegen alle übrigen Wohnungseigentümer, nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Dies hatte die klagende Partei vorliegend falsch gemacht, indem sie weiterhin in ihrer Klage vom 30.06.2021 alle anderen Wohnungseigentümer als Beklagte aufführte.

Die Entscheidung (hier: Hinweisbeschluss des Gerichtes):

Mit Verfügung vom 06.09.2021 riet das Amtsgericht Hamburg-Barmbek der Klägerseite aus Kostengründen, die Klage vor der mündlichen Verhandlung zurückzunehmen. Wörtlich führte dazu das Amtsgericht Hamburg-Barmbek aus:

Das Gericht kann der Klägerseite aus Kostengründen nur anraten, die Klage vor der mündlichen Verhandlung zurückzunehmen.

Denn die Klage dürfte unbegründet sein, da die Anfechtungsfrist als materiell-rechtliche Aus­schlussfrist nicht gewahrt wurde bzw. nicht mehr gewahrt werden kann.

Die ursprüngliche Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer vom 30.6.2021 hatte zwar die einmonatige Anfechtungsfrist des § 45 WEG gewahrt und wurde auch gemäß § 167 ZPO demnächst zugestellt.

Die ursprüngliche Anfechtungsklage war aber gegen die „übrigen Wohnungseigentümer“ und damit gegen falschen Beklagten gerichtet.

Soweit die Klägerseite aufgrund des gerichtlichen Hinweises mit Schriftsatz vom 30.7.2021 meint, dies sei eine „versehentliche Falschbezeichnung“ und es möge „das Passivrubrum ent­sprechend berichtigt“ werden auf „die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, ist dieses nicht möglich.

Eine bloße Berichtigung ist nur möglich bei Identitätsübereinstimmung der (beklagten) Partei. Hier hätte der Verband als rechtsfähige Person verklagt werden müssen statt der einzelnen (übrigen) Wohnungseigentümer. Auch bei wohlwollender Auslegung kann die Erklärung einer anwaltlich vertretenen Partei, man klage nicht mehr gegen die gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern nun gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nur als Parteiwechsel auf Beklagtenseite verstanden werden. Somit ist der Wechsel von einer Klage gegen die gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu einer Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Fall der Rubrumsberichtigung, sondern ein Parteiwechsel bzw. ein solcher müsste von der Beklagtenseite herbeigeführt werden.

Damit fiele aber die Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage rückwirkend weg (§ 269 III 1 ZPO). Denn ein solcher Parteiwechsel auf Beklagtenseite bedeutet, dass der bisherige Beklagte ausscheidet und die Rechtshängigkeit gegenüber dem neuen Beklagten mit der Zustellung des Änderungsschriftsatzes an ihn ex nunc begründet wird. Damit fiele die ursprüngliche Klage, die die Anfechtungsfrist des § 45 WEG gewahrt hatte, weg.

Eine „neue“ Klage gegen den Verband, gegen die Gemeinschaft“ kann aber die Anfechtungsfrist des § 45 WEG nicht (mehr) wahren.

Ergänzende Hinweise zu dieser Entscheidung:

Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden (§ 45 WEG).

Diese Anfechtungsfrist war im oben besprochenen Fall nicht eingehalten, da der klagende Wohnungseigentümer fälschlicherweise die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte in Anspruch nahm. Dieser Fehler konnte nach Auffassung des Amtsgerichtes Hamburg-Barmbek auch nicht mehr nachträglich korrigiert werden, indem man nun dazu überging, nicht mehr alle übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Anspruch zu nehmen.

Das mit Wirkung ab 01.12.2020 reformierte Wohnungseigentumsgesetz hat auch im Übrigen viele neue Regelungen, die stets zu beachten sind. Bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse ist allerdings im Rahmen der inhaltlichen Prüfung stets das Recht zugrunde zu legen, was zum Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich war. Wurde z.B. am 01.11.2020 ein Beschluss gefasst und richtet sich gegen diesen Beschluss eine Anfechtungsklage, ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses noch zugrunde zu legen das „alte“ Wohnungseigentumsgesetz.

Hamburg, den 02. Dezember 2021

RA Junker

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Hamburg

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