Die geplante berufliche Nutzung der Wohnung rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung

Auch wenn der Vermieter, der eine andere Wohnung in demselben Haus bewohnt, die vermietete Wohnung nicht nur überwiegend, sondern ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit nutzen will, ist das hierdurch begründete Interesse gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses den in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten gesetzlichen Kündigungsgründen gleichwertig (BGH 26.9.12, VIII ZR 330/11, Abruf-Nr. 123186).

Sachverhalt:

Die Beklagten sind seit 2002 Mieter der streitgegenständlichen Wohnung. Der Kläger, der mit seiner Ehefrau eine andere Wohnung desselben Hauses bewohnt, kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2.11.09 zum 30.4.10 wegen Eigenbedarfs für seine Ehefrau. Diese beabsichtige, ihre Anwaltskanzlei in die Wohnung der Beklagten zu verlegen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machen Härtegründe geltend. Die Räumungsklage wurde in den Instanzen abgewiesen. Die Revision hat Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses setzt zweierlei voraus:

  • Der Vermieter muss vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung haben, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH MK 07, 158, Abruf-Nr. 072437).
  • Weiter ist zu beachten, dass der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen gleichgewichtig ist, da sonst der Schutzzweck des Gesetzes vereitelt würde (BVerfGE 84, 366; BGH MK 12, 130, Abruf-Nr. 111873).

Das heißt: Für die Frage, ob ein Interesse als berechtigt nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen ist, kommt es daher auch darauf an, ob es ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe. Beides ist hier der Fall.

Den Fall, dass der Vermieter die vermietete Wohnung überwiegend für eigene gewerbliche Zwecke und nur teilweise für eigene Wohnzwecke nutzen will, hat der Senat bereits zugunsten des Vermieters entschieden. Begründung: Das Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB ist auf Grund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht geringer zu bewerten, als der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelte Eigenbedarf des Vermieters zu Wohnzwecken (MK 06, 51, Abruf-Nr. 060512).

An dieser Wertung ändert sich nichts dadurch, dass der Vermieter die vermietete Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder – wie hier – für die berufliche Tätigkeit eines Familienangehörigen nutzen will. Grund: Auch insofern ist ein dem Kündigungsgrund des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB „artverwandtes“ Interesse vorhanden. Die Entscheidung des Vermieters, ob die berufliche Tätigkeit innerhalb seiner Wohnung oder in einer von seiner Wohnung getrennten, in demselben Haus gelegenen anderen Wohnung ausgeübt werden soll, ist zu respektieren, sofern der Nutzungswunsch nachvollziehbar und vernünftig begründet ist.

Praxishinweis:

Ein die ordentliche Kündigung des Vermieters rechtfertigendes berechtigtes Interesse an der Beendigung des Wohnraummietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn eines der Regelbeispiele des § 573 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB erfüllt ist. Fehlt es hieran, kann sich die Kündigungsberechtigung immer noch aus § 573 Abs. 1 BGB ergeben. Das setzt voraus, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund die gleiche Wertigkeit hat, wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft benannten Kündigungsgründe.

Nicola-Isabelle Mack
Rechtsanwältin
– Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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