Stromlieferungsvertrag – Gaststättenpächter wird durch Stromentnahme Vertragspartner des Versorgers.

1. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmers ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sog. Realofferte zu sehen, die von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leistungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser, Fernwärme entnimmt.

2. Empfänger der Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages ist typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Im Fall einer Vermietung oder Verpachtung (hier: einer Gaststätte) steht diese tatsächliche Verfügungsgewalt entsprechend der aus dem Miet- oder Pachtvertrag folgenden rechtlichen Befugnis dem Mieter oder Pächter zu. Hierbei kommt es – ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Geschäften – nicht darauf an, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist.

3. Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in eine andere Richtung weisen, oder wenn der Annehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben (vgl. BGH 02.07.2014, VIII ZR 316/13).

Sachverhalt:

In dem zu beurteilenden Sachverhalt erbrachte die Stromversorgerin Stromlieferungen für das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück. Das Grundstück war an einen Betreiber einer Pizzeria seitens des Beklagten verpachtet. Der Betreiber der Pizzeria verbrauchte in erheblichem Umfang Strom, ohne entgegen seiner pachtvertraglichen Verpflichtung einen schriftlichen Vertrag mit einem Stromversorger geschlossen zu haben oder der Klägerin mitzuteilen, dass er Strom entnehme. Auch der Beklagte als Eigentümer des Grundstückes teilte der Stromversorgerin nicht mit, dass die Stromentnahme durch den Pächter erfolgt.

Die Klägerin – Stromversorgerin – sah infolge den Eigentümer des Grundstückes als Vertragspartner an und nahm ihn auf Zahlung der Vergütung für den gelieferten Strom in Anspruch. Die Klage hatte in den Instanzen keinen Erfolg. Der BGH wies die Revision zurück.

Entscheidungsgründe/Praxishinweis:

Der VIII. Senat vertritt die Auffassung, dass das konkrete Angebot der Stromversorgung auf Abschluss eines Versorgungsvertrages bei der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des Empfängers (§§ 133, 157 BGB) nicht an den jeweiligen Eigentümer, sondern an den Pächter bzw. Mieter gerichtet ist und von diesem konkludent angenommen wird, indem dieser Strom verbraucht. Im Weiteren ist Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt.

Die Beantwortung dieser Frage richtet sich danach nicht nach der Eigentümerstellung als solche, sondern maßgebend ist die dadurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss. Folgendes bedeutet, dass der Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Grundstückseigentümer, aber auch eine andere Person sein kann, etwa der Mieter oder Pächter des Grundstückes, da diesem auf Grund des Miet- oder Pachtvertrages die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassene Miet- oder Pachtsache eingeräumt wird. Darauf, ob dem Versorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, kommt es für die Realofferte nicht an.

Praxishinweis:

Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Wasserversorger eine Realofferte durch Lieferung von Wasser auf Abschluss eines Versorgungsvertrages abgibt. Diese richtet sich regelmäßig an den Grundstückseigentümer.

Nicola-Isabelle Mack
Rechtsanwältin
-Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht-

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