Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Hausordnung – das geht gar nicht? – Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 28. Januar 2020 zum Aktenzeichen 11 S 45/18 (rechtskräftig)

Der Fall:

In einer in 22926 Ahrensburg belegenen Wohnungseigentümergemeinschaft gab es keine Hausordnung. Insbesondere ein Wohnungseigentümer legte großen Wert auf einen Beschluss der Wohnungseigentümer zur Verabschiedung einer Hausordnung. Auf mehreren Eigentümerversammlungen beschäftigten sich die Eigentümer mit der Verabschiedung einer solchen Hausordnung. Es lagen verschiedene Entwürfe vor. Es fand sich aber keine Mehrheit dafür, eine konkrete Hausordnung zu beschließen. Daraufhin erhob derjenige Eigentümer, der die Verabschiedung einer Hausordnung begehrte, Klage beim Amtsgericht Ahrensburg. Gestützt auf § 21 Abs. 8 WEG beantragte dieser klagende Wohnungseigentümer die Einführung einer Hausordnung durch das Gericht. Das Amtsgericht Ahrensburg wies die Klage ab. Der klagende Wohnungseigentümer legte gegen diese Entscheidung Berufung ein beim Landgericht Itzehoe. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Itzehoe wurde schließlich auf einer weiteren Wohnungseigentümerversammlung mehrheitlich eine bestimmte Hausordnung beschlossen. Daraufhin wurde der Rechtsstreit wegen des Antrages auf Verabschiedung einer Hausordnung von den Parteien des Rechtsstreits für erledigt erklärt.

Die Entscheidung:

In seinem Urteil vom 28. Januar 2020 entschied das Landgericht Itzehoe, dass die beklagten Wohnungseigentümer die Kosten des Rechtstreits zu tragen haben, soweit der Kläger die Verabschiedung einer Hausordnung durch das Gericht beantragt hatte. Das Landgericht Itzehoe ist der Auffassung, dass der Kläger einen Anspruch auf Verabschiedung einer Hausordnung durch das Gericht hatte, weil die Wohnungseigentümer es bis zur letzten Eigentümerversammlung, auf der dann endlich eine Hausordnung verabschiedet wurde, nicht geschafft hatten, durch Mehrheitsbeschluss eine bestimmte Hausordnung einzuführen.

Das Landgericht führte in seinem Urteil dazu folgendes aus:

„… Denn der Kläger konnte nach § 21 Abs. 4 und 8 WEG verlangen, dass eine Hausordnung – notfalls auch von Seiten des WEG-Gerichts – festgelegt wird.

Nach § 21 Abs. 4 WEG hat jeder Eigentümer einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung. Sofern die Eigentümer trotz eines entsprechenden Verlangens nicht die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen treffen, kann jeder Eigentümer nach § 21 Abs. 8 WEG verlangen, dass diese vom Gericht anstelle der Eigentümer nach billigem Ermessen getroffen werden. Zu solchen erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen, auf die ein Anspruch besteht, gehört nach § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG auch die Aufstellung einer Hausordnung.

Danach liegen die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Hausordnung durch das WEG-Gericht vor. Das für einen solchen Antrag notwendige Rechtsschutzbedürfnis erfordert, dass zuvor vergeblich versucht wurde, eine Entscheidung durch die Eigentümerversammlung herbeizuführen (vgl. Vandenhouten, in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, a.a.O., § 21 Rn. 154). Dies war hier der Fall, da der Kläger bereits auf früheren Versammlungen und auch auf der Versammlung vom 22.06.2017 vergeblich einen Antrag gestellt hatte, dass eine von ihm entworfene Hausordnung beschlossen wird. (…)

Auch der Einwand der Beklagten, das WEG-Gericht könne nach § 21 Abs. 8 WEG zwar eine entsprechende Entscheidung anstelle der Eigentümer treffen, sei hierzu aber nicht verpflichtet und im vorliegenden Fall spreche mehr dafür, eine solche Entscheidung nicht zu treffen, da mangels näherer Darlegung der konkreten Umstände das Gericht keine ausreichenden Anhaltspunkte für den Inhalt einer von ihm zu bestimmenden Hausordnung habe, stand der Bestimmung einer Hausordnung durch die Kammer nicht entgegen. Es ist zwar zutreffend, dass es im vorliegenden Fall an einer näheren Darlegung der konkreten Gegebenheiten innerhalb der Gemeinschaft fehlt. Dies hätte aber kein durchgreifendes Hindernis dargestellt, um jedenfalls eine Hausordnung in dem Umfang, der zumindest bei einer Gemeinschaft bestehen sollte, zu bestimmen.“

Ergänzende Hinweise zu dieser Entscheidung:

Hätte das Landgericht Itzehoe – was die dortige Kammer beabsichtigte – tatsächlich eine Hausordnung „verordnet“, hätte sie kaum die individuellen Verhältnisse der betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaft berücksichtigen können. Herausgekommen wäre vermutlich daher eine ganz allgemeine Hausordnung, die Selbstverständlichkeiten enthalten hätte, etwa die Einhaltung einer Nachtruhe zwischen 22:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens.

In § 14 WEG sind ohnehin bestimmte Pflichten der Wohnungseigentümer normiert. Wie weit diese Pflichten im Einzelnen reichen, ist durch eine umfangreiche Rechtsprechung konkretisiert. Die Verabschiedung einer Hausordnung ist für das Funktionieren einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht notwendig. Es erscheint dem Verfasser deshalb fraglich, ob die Gerichte in einem solchen Fall tatsächlich eingreifen müssen, wenn sich die Wohnungseigentümer selbst auf Verabschiedung einer konkreten Hausordnung durch Mehrheitsbeschluss nicht verständigen können. Schließlich heißt es nach dem klaren Wortlaut in § 21 Abs. 8 WEG, dass das Gericht anstelle der Wohnungseigentümer entscheiden kann, sofern die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen. Außerdem hätte das Landgericht Itzehoe vor „Einführung“ einer Hausordnung durch das Gericht wohl prüfen müssen, ob die zuvor auf Wohnungseigentümerversammlungen vorgelegten Entwürfe einer Hausordnung einen zulässigen Inhalt hatte. Hätte sich aufgrund einer solchen Prüfung ergeben, dass die zur Beschlussfassung vorgelegten Entwürfe teilweise einen nicht zulässigen Inhalt hatten, hätte die Mehrheit der Wohnungseigentümer einem Beschluss zur Verabschiedung einer solchen Hausordnung mit Recht nicht zugestimmt.

Hamburg, den 01. März 2020

RA Junker
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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